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Hier ist eine kleine Kostprobe aus meinemGlückstädter Kaffeekränzchen", die allein aufgrund ihrer zum Schmunzeln tatkräftigen &bdquoHeldinnen" auch etwas zartbesaiteteren Gemütern gefallen dürfte. Auch diese Geschichte erscheint demnächst in einer Anthologie - Näheres dazu in Kürze unter Aktuelles".


... „Auuuua – elender Mist!“, fluchte Gertrud mit schmerzverzerrtem Gesicht, als ihr der angeknackste Filtertütenhalter wegrutschte und ein Schwall der siedendheißen, schwarzen Brühe über den Handrücken schwappte.

Erna kam aus dem Wohnzimmer herbeigeeilt und erfasste mit einem Blick die Bescherung. „Kann nicht dein Ernst sein – schon wieder? Dich darf man wirklich keinen Kaffee kochen lassen! Das ist das dritte Mal, dass dir das Ding umkippt, kauf dir endlich mal ´nen neuen Filterhalter!“, schnaufte sie missbilligend und riss den Kaltwasserhahn auf. „Los, halt drunter!“

Im selben Moment klingelte es und während Gertrud noch ihre Hand kühlte, war Erna schon unterwegs zur Tür: „Das wird Ilse sein – ich mache auf, hol du dir Brandsalbe!“

Wenige Minuten später war das kleine Drama vergessen und alle drei Damen saßen einträchtig mit Kaffee und Kuchen an Gertruds hochglanzpoliertem Esstisch am Fenster.

„Was macht denn unser Seebär?“, erkundigte sich Ilse an Gertrud gewandt. „Hast du ihn mal wieder beim Einkaufen getroffen?“

„Ja, vor ein paar Tagen beim Bäcker“, antwortete Gertrud mit einem verschmitzten Lächeln. Sie wusste, dass ihre beiden Freundinnen sie nicht nur wegen der Geräumigkeit um ihre schnuckelige Glückstädter Wohnung beneideten. or allem die nette Aussicht in das gegenüber liegende Wohnzimmerfenster des äußerst stattlichen Kapitän Nordberg war der Grund dafür, dass ihre wöchentlichen Kaffeekränzchen seit einigen Monaten grundsätzlich bei Gertrud stattfanden – konnte man doch bei der Gelegenheit nachschauen, was der Herr Kapitän so trieb und ab und an mal hinüber winken.

Bei den Matjeswochen im Frühsommer hatten die Damen den weltgewandten Herrn kennengelernt und waren sowohl von seiner Erscheinung, als auch von seinen mit sonorer Stimme vorgetragenen Geschichten aus der Seefahrt tief beeindruckt gewesen. Über die Monate hatte Gertrud jede gelegentliche Einkaufsbegegnung mit dem Kapitän genutzt, mehr über ihn zu erfahren. Wie die drei inzwischen wussten, war Heiner Nordberg nach kinderloser Ehe seit zwei Jahren Witwer. Seine Villa in Blankenese hatte er aufgrund der Größe nach dem Tod seiner Frau verkauft und auf der gegenüber liegenden Seite der Gasse, in der auch Gertrud wohnte, sein Refugium gefunden.

Erna schenkte grad Kaffee nach, als Gertrud mit einem Blick aus dem Fenster bemerkte: „Schaut mal, wer gegenüber eingetroffen ist!“

Die drei Damen wandten den Blick und konnten grad noch beobachten, wie sich am Esstisch des Kapitäns eine wirklich ärgerlich attraktive Brünette niederließ. „Ist diese Schnepfe schon wieder da?“, ereiferte sich Ilse. „Die kommt ja immer öfter. Scheint sich richtig an unseren Kapitän ranzuschmeißen! Und immer aufgetakelt wie eine Fregatte mit Dekolletee bis zum Buchnabel – unmöglich! Wenn ihr mich fragt: die nimmt den nur aus. Hätte Herrn Nordberg für schlauer gehalten, als sich so ein durchtriebenes, junges Sumpfhuhn zuzulegen.“

„Naja, Ilse“, erwiderte Gertrud mit hochgezogener Augenbraue „Mit dem Ausnehmen magst du recht haben, aber in dem Alter ist das Dekolletee schon in Ordnung, finde ich. Immerhin schätze ich, ist die rund zwanzig Jahre jünger als wir, da kann sie sich das schon noch erlauben.“

Erna schnappte sich ein weiteres Kuchenstück und schaute kauend auf die andere Seite. „Stimmt schon. Aber was will so ein junges Ding von einem Kerl in dem Alter? Die besucht den doch nicht ständig aus reiner Nächstenliebe. Hättet ihr in dem Alter Interesse an einem so viel älteren Knacker gehabt? Neenee, ich glaub´ auch, dass die nur an sein Bestes will: Seine Moneten.“

Sinnierend widmeten sich die Damen ihrer Eierschecke, während sich gegenüber der Kapitän vom Esstisch erhob und den Raum verließ. Die Brünette kramte währenddessen in ihrer Handtasche und entnahm ihr etwas.

„Was macht die denn da? Schnell, guckt mal!“, rief Ilse plötzlich aufgeregt.

Gertrud ließ die Kanne sinken und auch Erna versuchte mit zusammengekniffenen Augen das Geschehen auf der anderen Seite genauer zu fixieren. Sie konnten grad noch erkennen, wie die dunkelhaarige Frau etwas in ihre Tasche zurückfallen ließ und sich dann vorbeugte, um in der Tasse des Kapitäns zu rühren.

„Habt ihr das gesehen? Die hat was in seine Tasse geschüttet!“, vermeldete Ilse im Brustton der Überzeugung.

Erna schaute Ilse skeptisch mit hochgezogenen Brauen an: „Quatsch! Was du schon wieder gesehen haben willst. Geh mal zum Augenarzt.“

„Nein, wirklich! Ihr habt doch noch gesehen, wie sie in seiner Tasse gerührt hat. Die hat was hineingetan, ich hab´ es genau gesehen!“

Auf der anderen Seite kam der Kapitän zurück in den Raum, reichte eine mit großer Schleife verzierte Schachtel über den Tisch und nahm wieder der jüngeren Frau gegenüber Platz. Diese nahm mit sichtlicher Verzückung das Präsent entgegen, packte es aus und sprang auf, um den Kapitän zu umarmen und ihm einen dicken Kuss auf die Wange zu geben.

„Mein Gott“, sagte Gertrud grummelnd. „Der schenkt ihr ja jedes Mal etwas. Wüsste nur gern, was sie dauernd bekommt, aber ihre Besuche scheinen sich zu lohnen!“

„Mich würde viel mehr interessieren, warum sie eben in seiner Tasse gerührt hat!“, erwiderte Ilse nachdenklich.

Die drei Damen widmeten sich wieder ihren Kaffeetassen und bearbeiteten dann aufgeregt ihre zur Ablenkung hervorgeholten Strickarbeiten. „Jetzt hab´ ich auch noch eine Masche fallen lassen, verflixt noch mal!“, nuschelte Erna ärgerlich.

Wenig später sprang Ilse entsetzt vom Kaffeetisch auf: „Da! Da habt ihr´s! Ich hab´s ja gleich gesagt!“

Durch das gegenüber liegende Fenster konnten alle drei den auf der Tischplatte zusammengesunkenen Kapitän sehen – die junge Dame war verschwunden ...